RFT - der Aufstiegsrat bloggt mit zentriertem Blick auf den FC Würzburger Kickers. Aber nicht nur: Das abstruse Geschehen im (über-)bezahlten Profifußball bietet viel Stoff für meine spitze Feder.
Offenbar funktioniert in der Provinz kein Profifußball
RFT 14.03.23| Träumen darf man - erst recht als Fußballfan. Wahrscheinlich laufen nirgendwo so viele Träumer mit reichlich Geld auf dem Konto herum wie im Fußball. Ich weiß, von was ich spreche, denn ich bin schon sehr, sehr lange in diesem geliebten und beliebten Fußballsport unterwegs. Auch ich habe in 35 Jahren als Trainer, Sportleiter und als Vorstand immer alles dafür getan, um eine schlagkräftige Mannschaft aufs Feld zu schicken. Das war nicht immer ein Honigschlecken, denn ohne Geld war es schon in den 80er-Jahren in der damaligen B-Klasse schwierig. Ich kenne keinen einzigen Spieler, der bei unseren Kickers in der Landes- oder Bayernliga jemals für Lau gespielt hat. Immer und immer wieder stellte sich mir die Frage, warum geben Leute Geld, damit Vereine Spieler bezahlen können?
Alle Klubs von der untersten bis zur höchsten Spielklasse leisten Nachwuchsarbeit. Ist diese breite aufgestellte Jugendförderung nicht gut genug, um Spieler für die jeweilige erste Mannschaft herauszubringen?
Als irgendwann um 2010 herum Thorsten Fischer am Dallenberg auftauchte, war mir klar, der junge Mann versteht vom Fußball so gut wie nichts, aber er ist ehrgeizig. Zuvor ist er bei einem Verein in der Nähe von Gochsheim beim "frisch-geschnüdelten" Vorsitzenden "böser Wolf" genannt, abgeblitzt. Der hatte damals auch Ehrgeiz und zeigte sich bissig. Fischer wendete sich vom Wolfsrudel ab und den Kickers zu. Mit Marketingkampagnen wie "Würzburg kann mehr" und "3 x 3" entstand am Dallenberg eine neue Zeitrechnung. Bernd Hollerbach wurde zum Zugpferd, das zunächst durch die Regionalliga und die dritte Liga Pfeilgrad in die 2. Bundesliga galoppierte. Nach zweineinhalb Spielzeiten lahmte das "Wunder von Bernd". Das Zugpferd verließ den Stall.
Der solide arbeitende Trainer Michael Schiele schaffte nach zwei Spielzeiten den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Das reichte dem Kickers-AG-Aufsichtsratsboss nicht. Schieles Erfolg fehlte der Glanz. Er, der brave Schwabe aus Heidenheim, war nicht der strahlende Stern am Firmament des "viperalisierten" (erfundener Begriff) Fußballhimmels. Also wurde Felix Magath als neuer Messias präsentiert. Trainer kamen und gingen. Magath floppte. Daniel Sauer ging gleich mit. Christian Jäger war sein Nachfolger. Der unerfahrene Sebastian Schuppan sollte das Sportmanagement richten, scheiterte aber kläglich. Der FWK stieg dorthin ab, wo er herkam.
Neuer Anlauf in der Regionalliga: Sportvorstand Jürgen Kost, lange Jahre Scout für Arsenal London und der geschätzte Sebastian Neumann sollen es richten, allerdings ohne Fischer. Mit Marco Wildersinn wurde ein neuer Trainer verpflichtet. Bisherige Torwart-, Assistent- und Athletiktrainer - alle weg. Jürgen Kost schmeißt nach einem halben Jahr hin. Neumann rückte in den AG-Vorstand auf. Für Thorsten Fischer sprang Dominik Möhler (Fa. Akon) in die presche. Seither wird jeder Stein umgedreht, um Kosten zu drosseln. Das teure Kickers-Nachwuchs-Leistungs-Zentrum gibt sein DFB-Prädikat freiwillig ab. Ralf Santelli darf sich, was ich persönlich sehr bedauere, einen neuen Job suchen. Das gilt auch für einige vertraute Gesichter in der Geschäftsstelle. Die Insolvenzgefahr scheint durch diese Maßnahmen vorerst gebannt: vorerst!
Mal ehrlich: Bei diesen Personalrochaden frage ich mich, was ist im FWK wirklich los? Kann man tatsächlich auf einen ehrenamtlich arbeitenden Jürgen Kost verzichten und wenn ja, warum?
Ich unterliege in keiner Weise irgendwelchen Verschwörungstheorien, aber ich weiß, wie empfänglich das Gebilde Würzburger Kickers für Selbstzerstörungsszenarien ist. Und eins ist auch sicher, nach Professionalität sieht das alles nicht aus. Profiverträge für Spieler sind noch längst kein Indiz für einen professionell geführten Fußballklub.
Die Frage stellt sich, warum auf Dauer in der Provinz kein Profifußball funktioniert? Ja, ich weiß bei dem Thema verweisen alle sogleich auf Heidenheim und übersehen dabei deren noch junge Geschichte. Ich verweise auf Hoffenheim: Was Dietmar Hopp mit viel Geld bei Sinsheim hochgezogen hat, wackelt derzeit bedenklich.
"Auf Dauer" heißt im Fußball über Jahrzehnte hinweg. Tradition heißt über hundert Jahre außergewöhnlich "bekloppte" Fans (Hertha, 1860, "Glubb", Schalke etc.), Deutscher Meister von anno Topak, mehrfacher Pokalsieger und schillernde Figuren. Also kein mit viel Geld aufgeplustertes Projekt wie Hoffenheim und RB Leipzig.
In Franken spielten Vereine wie Viktoria Aschaffenburg, die Gochsheimer-Vorstädter, Bamberg, Bayreuth, Hof usw. einige Jahre Profifußball. Danach kam der Absturz bis hinein in die Insolvenz. Und ich bin kein dunkler Geist, wenn ich prophezeie, dass Bayreuth bei einem Abstieg aus der dritten Liga wieder einmal um die Existenz kämpfen wird.
All den Zirkus hat der 1. FCN und die Spvgg. Greuther-Fürth mit Höhen und Tiefen immer wieder überlebt. Warum? Weil im Selbstverständnis dieser Vereine ein Abstieg in die dritte Liga (früher Regionalliga oder Bayernliga) schon der absolute Tiefpunkt war und wäre, während für Kickers, WFV, Aschaffenburg und S......furt, die untere Grenze Landesliga frei übersetzt, Amateure lautet. Daran hat und wird kein Geld der Welt etwas ändern. Hinzu kommt, dass ein Fußballer sich erst dann als richtiger Profi fühlt, wenn er das Trikot eines namhaften Vereins tragen darf. Und bei aller Liebe für die Kickers, wir spielen auf der großen Fußballkarte Deutschlands keine Rolle. Wir sind in Düsseldorf, Magdeburg, Karlsruhe, Kaiserslautern, Hamburg usw. nicht gern gesehen, weil wir dort nicht einmal einen Fanblock voll bekommen. Unsere Stimmung konzentriert sich auf das Derby gegen das vom Abstieg bedrohte Wolfsrudel: mehr ist nicht drin.
Machen wir uns nichts vor: Wenn die Mannschaft von Marco Wildersinn in dieser Saison nicht direkt zurück in Liga drei aufsteigt, dann werden einige Profis, egal ob noch Vertrag oder nicht, weiterziehen. Die Verantwortlichen im FWK müssen dann entscheiden, ob ein Spielbetrieb mit Profis noch über diese Saison hinaus machbar ist. Vielleicht fällt am Samstag bereits sportlich die Vorentscheidung? Am Schreibtisch grübelt Manfred Schwabl darüber, ob sich Unterhaching noch Profifußball leisten kann. Die SpVgg Unterhaching ist übrigens nach Borussia Dortmund der zweite börsennotierte Fußballklub Deutschlands. In den Jahren 1976 bis 2001 marschierte Haching von der Bezirksliga bis in die 1. Bundesliga. Wen interessiert das heute noch, zumal der Verein um seine Existenz kämpft?
Rot-weiße-Torheiten
RFT 06.03.23| Wenn ein 30-jähriger routinierter Stürmer frei stehend vor dem Kasten aus sieben Meter den Torhüter anschießt, dann ist das eine sehr große Torheit. Eine Schlüsselszene, geschehen und gesehen im Heimspiel gegen Türkgücü München. Das Heimspiel darf und muss mindestens mit 3:1 gewonnen werden. Es wurde mit einem kläglichen 1:1 vergeigt. Prompt folgte eine blamable Niederlage in Vilzing. Den Profis im Kickers-Dress fehlt, so sieht es von außen aus, die Gier. Der unbändige Wille, gewinnen zu wollen, nimmt sich im Spiel phasenweise minutenlange Auszeiten.
Jetzt ist gegen Aschaffenburg Druck im Kessel. Die Mannschaft darf sich keine Punktverluste mehr leisten. Zwar kann sich das Blatt rein rechnerisch ganz schnell wenden, aber nur, wenn sich unsere Rothosen keine Torheiten mehr leistet. Unterhaching hat morgen im Nachholspiel Burghausen vor der Brust, bevor es am Samstag nach Aubstadt fährt. Showdown ist dann am Samstag, 18. März, 16 Uhr in Unterhaching. Spätestens dann wissen wir definitiv, ob wir weiter auf die dritte Liga hoffen können.
Die Regionalliga Bayern geht am Stock
RFT 20.02.23| Unterhaching humpelt. Rain am Lech droht abzusaufen. Und in der Nähe von Gochsheim reißt das Wolfsrudel kein Lämmchen mehr. Die Not in den Vereinen ist groß, vermutlich größer als gedacht. Vor nun bald 11 Jahre zogen unsere Kickers in die neue Regionalliga Bayern ein. Der Relegationsgegner hieß BC Aichach. Eine scheinbare Übermannschaft, die von einem Sponsor zusammengekauft wurde. Eine schwachsinnige Idee. Der Sponsor ging kurz darauf Pleite. Heute spielt Aichach in der Kreisliga Schwaben Ost. Schwer vorstellbar, dass Vereine, die bei Heimspielen 200 bis 400 Zuschauer benennen, auf Dauer in der Regionalliga bestehen können. Das bisschen Eintrittsgeld reicht kaum für die Schiedsrichter.
Der ehemalige DFB-Strippenzieher Rainer Koch wollte sich als BFV-Präsident unbedingt mit einer bayerischen Regionalliga schmücken. Was eine Schnapsidee! Denn wenn es nicht einmal (ehemalige) namhafte bayerische Vereine wie Hof, Bamberg, Passau, Kempten, Schwaben Augsburg usw. in die Regionalliga schaffen, dann ist eigentlich alles gesagt. Von Würzburg aus kann man nur neidisch auf die Regionalliga Südwest schauen. Nicht auszudenken, was hier am Dallenberg zum Beispiel gegen die Offenbacher Kickers los wäre? Es ist klar, der FWK muss sofort wieder hoch in Liga drei.
Der FWK ist unkaputtbar!
RFT 11.01.23| "Wie schafft ihr das nur?", wurde ich mehrfach gefragt. Meine Antwort: "Wer nicht richtig im Herzen Kickers ist, wird das nicht verstehen." Es sind die Selbstheilungskräfte, die von innen heraus zur richtigen Zeit wirken. Vor 23 Jahren übernahm Michael Schlagbauer zusammen mit Ralf Rösner, den sich in einem desolaten Zustand befindenden FWK. In der Zellerau und in Heidingsfeld rieben sie sich schon die Hände: "Ihr seid pleite und fertig." Zugegeben, der Pleitegeier kreiste zwar damals in greifbarer Höhe über dem Dallenberg, aber deshalb waren wir noch lange nicht fertig. Die Rot-Weißen-Gene mobilisierten enorme Selbstheilungskräfte, die so lange wirkten, bis nach und nach der monetäre Einfluss von Thorsten Fischer anfing am Kickers-Stammbaum zu sägen. Seine neuen "Manager" entfachten ein paar Jahre lang ein Feuerwerk, das alles überstrahlte, bis es in Asche zerfiel. Weitere Details erspare ich mir. Kickers-Urgestein Benjamin Hirsch hat den Pleitegeier zusammen mit dem neuen Hauptsponsor Dominik Möhler vertrieben. Eins ist klar, der FWK gehört sofort unter Denkmalschutz gestellt: Er ist unkaputtbar.
Rechtlicher Hinweis
Aufstiegsrat.de ist mein privater unabhängiger Blog. Er steht in keinem wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum FC Würzburger Kickers e. V. und dessen Fußball-AG. Im Blickfeld von Aufstiegsrat.de steht das Geschehen im Fußballsport. Besonders beim FC Würzburger Kickers und seiner jeweiligen Spielklasse.
Dank der Trainer-Legende Richard Saller habe ich die Kickers seit 1975 in meinem Blickfeld. Als ich dann 1982 aus beruflichen Gründen nach Würzburg kam, wurden die Kickers zu einer Herzensangelegenheit. Das KSC-Gen habe ich als echter Karlsruher in der Blutbahn. Seit Jahrzehnten bin ich, was Leidensfähigkeit und sportliches Auf und Ab betrifft, im doppelten Sinn gestählt. In meiner aktiven Zeit habe ich 38 Jahre Fußball gespielt und viele Jahre als Trainer (B- und A-Schein) in den unterschiedlichsten Spielklassen gewirkt. Dazu kann ich auf 25 Jahre ehrenamtliche Tätigkeit in der Vereinsarbeit zurückblicken.
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